Die Grunderwerbsteuer verursacht (hohe) Nebenkosten beim Immobilienerwerb, die als eine wesentliche Ursache für die niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland gilt. Auch soll sie im Widerspruch zu der politischen Wohneigentumsförderung stehen. Nach einer finanzwissenschaftlichen Diskussion der Rechtfertigung dieser Steuer wird auf die Stichhaltigkeit der Argumente gegen die Grunderwerbsteuer eingegangen.
1 Erklärung der Grunderwerbsteuer
Die Grunderwerbsteuer ist eine Steuer, die beim Erwerb eines Grundstücks oder Grundstückanteils anfällt. Die Grunderwerbsteuer knüpft am Eigentumswechsel an. Die Grunderwerbsteuer wird aufgrund der ähnlichen Systematik auch als spezielle Mehrwertsteuer oder auch als Sonderumsatzsteuer bezeichnet, da die von der Grunderwerbsteuer erfassten Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind.
Es ist eine Steuer der Bundesländer, die seit der Föderalismusreform 2006 den Steuersatz der Grunderwerbsteuer selbst bestimmen dürfen. Vor der Reform galt ein bundeseinheitlicher Steuersatz von 3,5 Prozent. Die neu gewonnene Steuersatzautonomie haben die Länder, außer Bayern und Sachsen, genutzt, um den Grunderwerbsteuersatz sukzessive zu erhöhen.
Das Aufkommen der Grunderwerbsteuer ist seit der Reform und insbesondere dann ab 2010 stark überdurchschnittlich angestiegen. Das lag zum einen daran, dass die Steuersätze von fast allen Ländern angehoben wurden. Mit Ausnahme von Bayern und Sachsen (stabile Sätze) werden bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises verlangt. Zum anderen haben sich die Umsätze mit Immobilien im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Dadurch ist auch die Bedeutung dieser Steuer nachdrücklich angestiegen, betrug der Anteil der Grunderwerbsteuer an den Gesamteinnahmen der Länder 2010 nur 2,5 Prozent hat sich dieser auf 4,9 Prozent fast verdoppelt (2019).
Eine Ausnahme von der Besteuerung mit der Grunderwerbssteuer stellen die sogenannten Share-Deals dar, wobei große, finanzmarktorientierte Investoren üblicherweise Wohnungspakete aufkaufen, ohne Grunderwerbsteuer zu entrichten. Formal werden hier nicht Grundstücke oder Gebäude eines Wohnungsunternehmens ge- oder verkauft, sondern Geschäftsanteile an Immobiliengesellschaften. Werden nicht mehr als 94,9 Prozent der Anteile übertragen, fällt keine Grunderwerbssteuer an.
2 Ökonomische Rechtfertigung der Gewerbesteuer
Für Steuern gibt es in der Finanzwissenschaft verschiedene Begründungen für deren Existenz. Jedoch lässt sich die Grunderwerbsteuer steuersystematisch nur schwerlich rechtfertigen.
Nach dem Äquivalenzprinzip gibt es eine gerechte Lastverteilung, wenn einzelne öffentliche Leistungen mit Abgaben der jeweiligen Nutznießer finanziert werden. Die Leistungen weisen einen direkten und zurechenbaren Nutzen für den Steuerzahler auf. Es fällt allerdings schwer, eine Verbindung zwischen den Ausgaben eines Bundeslandes und der Zahlung der Grunderwerbsteuer herzustellen. Die Steuer richtet sich nach dem Kaufpreis, der aber kaum mit der Höhe der Ausgaben der Länder für den Immobilienstandort zusammenhängt.
Das Leistungsfähigkeitsprinzip fordert eine gerechte Verteilung der Steuerlasten gemäß des wirtschaftlichen Potenzials der einzelnen Steuerzahler. Eine Begründung der Grunderwerbsteuer mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip wäre nur möglich, wenn der Immobilienerwerb eine besondere Leistungsfähigkeit darstellen würde. Der Erwerb einer Immobilie setzt zwar ein gewisses Einkommen/Vermögen voraus, doch bedeutet dies für den Erwerber keinen Zuwachs an Leistungsfähigkeit, sondern nur eine Umwandlung von Vermögen.
Lenkungszwecke können aus allokativer Sicht ebenfalls für eine Legitimation der Grunderwerbsteuer sprechen. Lenkungssteuern sollen die Handlungen der Steuerträger beeinflussen, um einen gesellschaftlich erwünschten Zustand herbeizuführen. Die Grunderwerbsteuer verteuert den Grunderwerb gegenüber dem Kauf anderer Güter oder der Miete. Die Maßnahmen zur Stärkung der Wohneigentumsquote stehen somit im Widerspruch zu der Grunderwerbsteuer.
Das fiskalische Interesse der öffentlichen Hand ist somit die entscheidende ökonomische Begründung für die Erhebung der Grunderwerbsteuer. Für die Grunderwerbsteuer spricht aus der Sicht des Staates, dass sowohl das Aufkommen relativ sicher als auch eine Steuerhinterziehung kaum möglich ist.
3 Kritik an der Grunderwerbssteuer
An der Grunderwerbsteuer wird zum einen kritisiert, dass sie eine finanzielle Belastung darstellt und damit zu Verzerrungen ökonomischer Entscheidungen zulasten des Erwerbs von Immobilien führt. Zum anderen konterkariert sie das politische Ziel, die Wohneigentumsquote zu erhöhen.
Beim ersten, wesentlichen Kritikpunkt wird darauf verwiesen, dass die Grunderwerbsteuer die Nebenkosten beim Erwerb erhöht und so den Kauf von Immobilien verteuert. Die gesamten Erwerbsnebenkosten erreichen einen Anteil von 10 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Da diese Kosten in der Regel nicht kreditfinanziert werden können, geht die Grunderwerbsteuer zu Lasten des Eigenkapitals.
Die steuertechnische Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer kann zu kumulativen Effekten durch steuerliche Mehrfachbelastungen führen. Während die Mehrwertsteuer sich ausschließlich auf die hinzugekommene Wertschöpfung, den Mehrwert bezieht, wird die Grunderwerbsteuer bei jedem Erwerbsvorgang in voller Höhe des gesamten Kaufpreises fällig. Jeder Eigentümerwechsel löst damit eine neue Steuerzahlung aus. Auch wenn die relativ geringe Umschlagshäufigkeit bei Immobilien diesen Effekt abschwächt, hemmt dieser kumulative Effekt die Transaktionen.
Außerdem werden Investitionsentscheidungen durch die anfallenden Nebenkosten verzerrt. Steigende Steuersätze führen i. d. R. zu weniger Investitionen. Die Grunderwerbsteuer benachteiligt Immobilien gegenüber anderen Kapitalanlagen, insbesondere Finanzkapital, bei deren Erwerb eine entsprechende Belastung derzeit nicht anfällt.
Aber: Zwar werden die Immobilientransaktionen durch die Gewerbesteuer benachteiligt, jedoch sind zum einen trotz der Steuer(-erhöhungen) die Transaktionen drastisch angestiegen. Zum anderen sind die Immobilienpreise deutlich stärker als die Nebenkosten durch die Grunderwerbsteuer gestiegen. Weiterhin können aber auch bei entsprechenden Marktkonstellationen die Steuern (teilweise) auf die Verkäufer überwälzt werden.
Der zweite, wesentliche Kritikpunkt setzt daran an, dass die Grunderwerbsteuer im Widerspruch zu der Politik der Wohneigentumsförderung steht. Die Grunderwerbsteuer soll einen Anstieg der Wohneigentumsquote verhindern, da sie zusätzliche Kosten verursacht. Die Erhöhung der Steuersätze hat zu einer geringer steigenden Wohneigentumsquote geführt. Vor allem (junge) Familien mit wenig Eigenkapital würden so von dem Eigentumserwerb abgehalten. Da beim Immobilienkauf üblicherweise die Grunderwerbsteuer nicht durch Kredit finanziert werden kann, muss die Steuer durch Eigenkapital finanziert werden.
Falls diese Kritik zutrifft, müsste ein kausaler Zusammenhang zwischen der regionalen Wohneigentumsquote sowie der Höhe und/oder der Veränderung des Steuersatzes seit 2006 bestehen. Dieses kann aber nicht belegt werden.
· Erstens ist die Höhe der Grunderwerbsteuer nicht korreliert mit der Wohneigentumsquote. Von den 7 Bundesländern mit einem überdurchschnittlichen Steuersatz haben, weisen 4 Länder eine überdurchschnittliche und 3 Länder eine geringere Eigentumsquote auf. Analoges gilt für die Länder mit einem vergleichsweise niedrigen Steuersatz. Ein hoher Steuersatz ist nicht generell mit einer niedrigeren Eigentumsquote und umgekehrt verbunden.
· Bei einem Vergleich des Anstiegs des Steuersatzes mit dem Wachstum der Wohneigentumsquote seit 2006 zeigt sich, dass in den beiden Bundesländern mit konstanter Steuerquote seit 2006 (Bayern und Sachsen) die Eigentumsquote nur leicht überdurchschnittlich im Bundesvergleich angestiegen ist. Von den 5 Ländern, die die höchste Anhebung vorgenommen haben, weisen 4 ein relativ höheres Wachstum auf.
· Hingegen gibt es einen eindeutigen Ost-West-Zusammenhang und deutliche demografische Einflüsse: alle 5 ostdeutschen Bundesländer (ohne Berlin) weisen eine vergleichsweise niedrige Bevölkerungsdichte und auch eine vergleichsweise geringe Eigentumsquote (Ausnahme Brandenburg). In Westdeutschland weisen die Stadtstaaten und NRW, die eine hohe Bevölkerungsdichte aufweisen, eine niedrigere Eigentumsquote auf.
4 Alternativen zur Grunderwerbsteuer
Vor diesem Hintergrund werden verschiedene Alternativen zur jetzigen Ausgestaltung der Grunderwerbsteuer diskutiert. Eine Modifikation der Grunderwerbsteuer könnte darin bestehen, das Steuerschlupfloch „Share Deal“ zu schließen. Danach sollten alle Erwerber in Höhe ihrer erworbenen Anteile an der Gesellschaft grunderwerbssteuerpflichtig sein. Die Mehreinnahmen könnten dann zur Senkung des Grunderwerbsteuersatzes verwendet werden.
Eine weitere Alternative wäre, die Grunderwerbsteuer wegen ihrer fundamentalen Schwächen durch die Mehrwertsteuer zu ersetzen. Bei der Umsatzsteuer, die dem Charakter der Grunderwerbsteuer ähnelt, wird jedoch durch den Vorsteuerabzug an der Wertschöpfung angesetzt. Bei der Grunderwerbsteuer gibt es allerdings keinen Vorsteuerabzug. Der Alternative dürfte aber die Höhe der aktuellen Mehrwertsteuersätze entgegenstehen.
Der weitestgehende Vorschlag besteht in der Reduzierung bzw. Abschaffung der Grunderwerbsteuer. Eine ersatzlose Streichung widerspricht allerdings dem EU-Recht und auch die Bundesländer können und wollen auf diese Steuereinnahmen nicht verzichten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es somit notwendig, dass aufgezeigt werden muss, wie das gegenfinanziert werden soll, ohne dass es zu Lasten anderer geht.
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