Inflationsängste steigen
Zwar stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland 2020 nur um 0,5 Prozent, es werden aber höhere Inflationsraten erwartet, auch die Europäische Zentralbank (EZB) sieht kurzfristig einen Anstieg von über 3 Prozent. In der volkswirtschaftlichen Diskussion werden vor allem zwei Faktoren genannt, die zu einer stärkeren Preissteigerung führen.
· Zum einen betreibt die EZB seit der Finanzkrise 2008/09 eine sehr expansive Geldpolitik. Die Zinsen wurden kontinuierlich gesenkt und die Geldmenge stark ausgedehnt, was insbesondere auf die massiv ausgeweiteten Anleihekäufe zurückzuführen ist. So sollen die günstigen Finanzierungsbedingungen während der Pandemie aufrecht erhalten werden. Diese Käufe sollen in der nächsten Zeit sogar noch ausgeweitet werden.
· Zum anderen gibt es einen Konsumstau, da der private Konsum durch die Pandemie stark beeinträchtigt war. Die Ausgaben der Haushalte sanken 2020 um ungefähr 5 Prozent. Zwar wurde für Nahrungsmittel oder für Kraftfahrzeuge (Mehrwertsteuersatzsenkung) mehr ausgegeben, aber viele Aktivitäten wie Urlaub oder Gastronomie waren nicht möglich und Dienstleistungen konnten nicht in Anspruch genommen werden. Daher sind die Bankeinlagen deutlich angestiegen; das Ifo-Institut schätzt diese „Überschussersparnis“ auf ungefähr 100 Mrd. Euro. Zusätzlich gab es aufgrund der Verunsicherung weniger neue Kreditverträge, was die Konsumausgaben weiter einschränkte.
Nach der Pandemie wird es zu Nachholeffekten und höherer Nachfrage kommen. Es ist jedoch umstritten, wie stark das ausfällt und wie sich das auf die Inflationsrate auswirken wird. Auf der einen Seite wird nur eine begrenzte Preisreaktion mit einem temporären Anziehen der Inflationsrate erwartet. Zwar wird die Kaufkraft nach den Lockerungen wieder ansteigen, aber nicht gänzlich in zusätzliche Nachfrage umgesetzt. So lassen sich einmal ausgefallene Dienstleistungen (Frisör) nicht wiederholen oder nur bedingt steigern (Urlaub). Auf der anderen Seite werden längerfristig deutlich höhere Inflationsraten erwartet. Mehrausgaben der Haushalte aufgrund geringeren Sparens und der Aufnahme von mehr Krediten werden einen Schub bei der Nachfrage auslösen. Während bisher vor allem die Preisen von Vermögenswerten (Asset Price Inflation) stiegen, wird nun auch ein deutlicher Anstieg der Lebenshaltungskosten erwartet.
Zinsenanstieg hat schon begonnen
Höhere Inflationsraten haben nachhaltige Folgen für die Kreditmärkte. Das wäre dann zwar eine neue Zeitphase, aber noch nicht das Ende der Niedrigzinsen. Der Zins ist der Preis für die Überlassung von Kapital bzw. für Kredite und ist je nach Markt unterschiedlich hoch. Die Höhe der Zinsen ergibt sich jeweils aufgrund von Angebot und Nachfrage und wird u. a. beeinflusst von der Geldpolitik der EZB und den Inflations-(Erwartungen).
Seit Jahresanfang sind sowohl die Renditen der Bundesanleihen und Pfandbriefe als auch die Zinsen für Wohnungsbaukredite gestiegen. Laut dem Baufinanzierer Interhyp lagen die Zinsen für 15-jährige Kredite zum Jahresanfang 2021 bei gut 1 Prozent und sind bis Mitte Mai um rund 0,25 Prozent gestiegen.
Die Kapital- und Kreditmärkte stehen miteinander in einer Wechselbeziehung. Die EZB nimmt einerseits durch ihre Zinspolitik maßgeblichen Einfluss und tritt andererseits als Nachfrager von diesen Papieren auf. Die Anleiherenditen bilden somit eine wichtige Orientierungsmarke für Banken und andere Finanzakteure. Viele Banken refinanzieren die von ihnen ausgegebenen Immobilienkredite mithilfe von Pfandbriefen, deren Zinshöhe sich an den Anleihen anderen Emittenten orientiert. Die Entwicklung der Pfandbriefzinsen wirkt sich daher auf die Zinsen für Immobilienkredite aus.
Der Anstieg der Anleiherenditen im Jahresverlauf hat schon zu Reaktionen der EZB geführt. Die EZB will verhindern, dass sich die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen verschlechtern, sodass sich damit die Erholung der Wirtschaft verzögert. Außerdem sollen aus politischer Sicht die Zinsen niedrig bleiben, da ansonsten die Gefahr wächst, dass sich Staatshaushalte nicht mehr finanzieren lassen. Ein signifikanter Zinsanstieg wird zusätzlich zur Verlagerung von Kapitel aus dem Immobilienmarkt in den Anleihemarkt führen. Das beendet den langjährigen Boom auf den Immobilienmärkten. Daher sollen die Anleihekäufe der EZB deutlich umfangreicher ausfallen als in den ersten Monaten dieses Jahres.
Die Entwicklung der Baukreditzinsen ist daher schwieriger vorherzusagen. Die Inflationsentwicklung spricht für und die angekündigte Politik der EZB gegen einen starken Zinsanstieg. Somit ist eher zu erwarten, dass es „nur“ einen begrenzten Anstieg der Hypothekenzinsen um 100 Basispunkte (1 Prozentpunkt) geben wird.
Folgen für die Immobilienmärkte – Ende des Booms?
Einen Zinsanstieg von 100 Basispunkten hört sich zunächst einmal nicht bedeutend an, hat aber aufgrund des niedrigen Ausgangsniveaus nachhaltige Folgen. Dies zeigt das folgende Finanzierungsbeispiel. Zum Jahresanfang 2021 betrug der Effektivzinssatz für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer anfänglichen Zinsbindung über 15 Jahre rund 1,05 Prozent. Bei einer Darlehenssumme von 300.000 Euro wären damit jährlich Zinsen in Höhe von 3.150 Euro zu zahlen. Würde das Zinsniveau wie prognostiziert ansteigen, würde die jährlich Zinsbelastung auf 6.150 Euro steigen und damit zu einer Verdoppelung der zu zahlenden Zinsen kommen.
Der Rückgang der Hypothekenzinsen bis auf das derzeitige Niedrigzinsniveau hat zu einem Immobilienboom in Deutschland geführt. Seit 2010 haben sich die Wohnimmobilienpreise in deutschen Städten mehr als verdoppelt. Je nach Szenario bei der Inflationsrate und den entsprechenden Zinsentwicklungen sind differenzierte Entwicklungen auf den Immobilienmärkten zu erwarten.
Kurzfristig führt ein steigendes Zinsniveau zu Vorzieheffekten, wenn sich die Zinstrendwende deutlicher abzeichnet. Wie auch in der Vergangenheit zu beobachten war, ist zunächst mit einer vorübergehend höheren Nachfrage zu rechnen.
Längerfristig werden sich steigende Zinsen aber negativ auf den Immobilienmärkten auswirken. Erstens wird sich das bei den Projektentwicklungen und den Bauinvestitionen zeigen. Höhere Zinsen erhöhen die Fremdfinanzierungskosten und führen zu wachsenden Kostenbelastungen für Projektentwickler und Bauträger, was sich c. p. negativ auf die Investitionsbereitschaft und die Neubauaktivitäten auswirken wird.
Steigende Zinsen haben zweitens negative Folgen beim Kauf von Wohnimmobilien. Je höher der Zinssatz ist, desto höher sind die laufenden Zinskosten der Finanzierung. Höhere Finanzierungskosten kann sich aber ein Teil der Haushalte nicht mehr leisten. Die Nachfrage sinkt angesichts der steigenden Zinszahlungen, da für viele Haushalte für die Finanzierung nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Noch stärker werden die Folgen bei zukünftigen Umschuldungen ausfallen.
Bei Immobilienkäufen vergleichen institutionelle und private Kapitalanlegern die Renditen verschiedener Anlagemöglichkeiten miteinander. Ein Anstieg der Wertpapierrenditen macht drittens Investments in Immobilien c. p. unattraktiver. Eine so resultierende geringere Nachfrage nach Immobilien wird sich negativ auf die Immobilienpreise auswirken. Insbesondere die Preisübertreibungen bei Wohnimmobilien finden dann ein Ende.
Fazit
Es besteht grundsätzliche Uneinigkeit darüber, wie stark die Inflationsraten steigen werden und wie sich das dann auf die Zinsen auswirken wird. Die Möglichkeit leicht steigender Zinsen ist jedoch offensichtlich und könnte bereits zu negativen Folgen für die Immobilienmärkte führen.