Dienstag, 27. Oktober 2020

Wohnen im Ruhrgebiet: preiswert in NRW

 

In einer gemeinsamen Studie von EBZ Business School und InWIS – Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung wurden alle Städte über 20.000 Einwohner im Ruhrgebiet (46 Städte) analysiert. Das Ruhrgebiet wird oft nicht eindeutig abgegrenzt, wobei hier die Städte des „Regionalverband Ruhr“ betrachtet werden.

Im Ruhrgebiet zeigen sich deutliche Unterschiede, dies gilt sowohl für die Rahmenbedingungen mit Bevölkerungswachstum und Einkommenshöhe als auch bei den Belastungen der Haushalte, wenn sie ein Haus kaufen oder eine Wohnung mieten. Das obige Schaubild zeigt die Position der Ruhrgebietsstädte im NRW-Vergleich, wobei sich deutliche Unterschiede zeigen, die im Folgenden näher analysiert werden sollen.

1.       Rahmenbedingungen für den Wohnungsmarkt

1.1       Große Städte wachsen stärker

Die demografische Entwicklung ist ein zentraler Faktor für die Wohnungsnachfrage. In den 46 Städten des Ruhrgebiets leben insgesamt 5,0 Mio. Menschen, das sind gut ein Drittel der Menschen in NRW. Die Ruhrgebietsstädte haben im NRW-Vergleich zu ihrer Platzierung nach Bevölkerungsgröße eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung. Insgesamt ist in diesem Jahrzehnt die Bevölkerung nur leicht gewachsen und schwächer als im NRW-Vergleich, dabei gab es neben 28 wachsenden auch 16 schrumpfende Städte.

Dabei ist die Bevölkerung in allen kreisfreien Revierstädten gestiegen, während es bei kreisangehörige Städten sowohl steigende als auch rückläufige Bevölkerungszahlen im letzten Jahrzehnt gab. Die Urbanisierung und insbesondere die zunehmende Attraktivität der größeren Städte zeigen sich auch im Revier deutlich. Etwas ab dem Kulturhaupstadt-Jahr 2010 wuchsen die kreisfreien Großstädte kontinuierlich stärker als die kreisangehörigen Städte. Die stärksten Rückgänge sind in den Kreisen Ennepe-Ruhr-Kreis sowie Recklinghausen festzustellen.

1.2       Niedrigste Haushaltseinkommen in den größten Städten

Das Haushaltsnettoeinkommen ist der geeignete Indikator zur Beurteilung der Einkommenssituation von Mietern und Eigentümern von Wohnraum. Dieses lag im Ruhrgebiet 2018 bei fast 39.000 Euro im Jahr und damit um über 6 Prozent unter dem NRW-Vergleichswert. Dabei weist Lünen mit gut 29.000 Euro das niedrigste und Haltern am See mit knapp 57.000 Euro das höchste Haushaltseinkommen auf.

Bei einem Städtevergleich haben die größten Städte im Revier die niedrigsten Haushaltseinkommen und umgekehrt. So weisen drei der sechs kleinsten Städte das höchste Einkommen auf und die 5-kleinsten Städte haben gut 50 Prozent mehr Haushaltseinkommen als der Durchschnitt der 10-größten Städte im Pott.

2.       Wohnungsmarkt

2.1    Erschwinglichkeit

Der Kaufpreis für Häuser liegt im Ruhrgebiet bei durchschnittlich rund 290.000 Euro und das reicht von Fröndenberg/Ruhr (233.000 Euro) bis Mühlheim an der Ruhr (gut 385.000 Euro). Die Kaufpreise im Ruhrgebiet liegen im Schnitt rund 3,5 Prozent unter dem Niveau von NRW, was sich daran zeigt, dass zum einen nur 4 Revierstädte einen Kaufpreis haben, der unter den Top-50 in NRW liegt. Zum anderen gibt es eine Ballung dieser Städte im NRW-Mittelfeld. Die Extremwerte bei den Kaufpreisen in NRW nach oben und unten fehlen weitgehend im Ruhrgebiet.

Innerhalb des Ruhrgebiets befinden sich die höchsten Kaufpreise in den großen Städten, während die niedrigen Preise eher in den kleineren Städten sind. Die vier teuersten Städte sind unter den 13-größten Städten des Reviers, dagegen gibt es in den kleinen Städten (über 20.000 Einwohner) auch die geringsten durchschnittlichen Hauspreise. Gleichzeitig befinden sich aber nur 3 Städte im Revier, die im letzten Viertel des Rankings der Kaufpreise in NRW liegen.

Auf den Indikator Erschwinglichkeit wird zurückgegriffen, da Aussagen über die Höhe des Kaufpreises nur bedingt aussagekräftig sind. Es wird das unterschiedliche Einkommen der Haushalte berücksichtigt: wie viele Jahreseinkommen muss ein Haushalt aufbringen, um sich in seiner Stadt ein Haus leisten zu können. Durchschnittlich musste ein Haushalt im Ruhrgebiet 7,7 Jahreseinkommen für den Kauf eines Hauses ausgeben. Die Spanne reicht bei den betrachteten Städten von Hamminkeln (4,7-fache) bis zu Bochum, das mit 11,1 Haushaltseinkommen bei diesem Indikator der teuerste Standort ist. In rund einem Viertel der Städte des Ruhrgebietes sind weniger als 6 Jahreseinkommen aufzuwenden.

Die Ausgaben (in Relation zum Einkommen) sind stark korreliert mit der Größe einer Stadt. So gehören 5 Städte mit dem höchsten Aufwand zu den 10 größten Städten des Reviers. Dagegen finden sich bei den kleineren Städten auch die Orte mit dem geringsten Erschwinglichkeitswert.

Aufgrund der niedrigen Einkommen im Ruhrgebiet haben die Haushalte relativ viele Haushaltseinkommen aufzuwenden, um ein Haus zu kaufen. Dieser Indikator relativiert sich aber, wenn berücksichtigt wird, dass auch Haushalte von außerhalb des Reviers hier ein Haus kaufen wollen. Dann zeigt sich das preiswerte Ruhrgebiet. In einzelnen Städten müssten dann nur noch zwischen 5,6 und 9,2 Jahreseinkommen aufgewendet werden, falls das NRW-Durchschnittseinkommen betrachtet wird. Das kann das Ruhrgebiet interessant für Zuziehende machen, die vor allem in die einkommensschwächeren Orte ziehen wollen.

2.2    Mietbelastung niedrig und trotzdem stark unterschiedlich

Die Wohnungsmiete ist im Ruhrgebiet vergleichsweise niedrig, wenn auch recht unterschiedlich. Keine Stadt des Ruhrgebietes findet sich in dem teuersten Viertel der Städte NRWs, hingegen sind sie aufgrund des niedrigen Mietniveaus sehr stark im unteren Viertel NRWs vertreten. Das zeigt sich auch in der durchschnittlichen Miete, die in NRW bei 6,66 Euro und im Ruhrgebiet bei nur 6,17 Euro liegt. Die durchschnittliche Miete im Revier reicht von 5,40 Euro in Bergkamen bis zu 7,13 Euro in Herdecke.

Bei der Mietbelastung werden die unterschiedlichen Einkommen der mietenden Haushalte berücksichtigt. Diese liegt zwischen 10 und 25 Prozent in NRW, im Revier ist sie mit Werten zwischen 11 und 19 Prozent deutlich geringer. Auch im Durchschnitt ist die Mietbelastung im Ruhrgebiet deutlich niedriger als in NRW insgesamt, auch wenn sich aufgrund des relativ geringen Einkommensniveaus die Städte des Ruhrgebiets relativ gleichmäßig über die gesamte Spanne bei den Mietbelastungen verteilen.

Nur 2 Städte des Reviers (Dortmund und Kamp-Lintfort) weisen mit einem Anteil von 17,6 und 19,1 Prozent des Einkommens eine relativ hohe Belastung auf, sodass sie unter die Top-20 in NRW kommen. Hingegen gibt es 17 Revierstädte mit einer sehr niedrigen Mietbelastung, die dann auch im hinteren Viertel NRWs landen.

Das preiswerte Mietniveau im Ruhrgebiet zeigt sich auch bei einem anderen Vergleich. Wenn ein Haushalt aus dem übrigen NRW ins Ruhrgebiet zieht und ein entsprechend durchschnittliches Haushaltseinkommen aufweist, reduziert sich oftmals die Mietbelastung noch einmal deutlich.

3.       Fazit

Im Ruhrgebiet zeigen sich deutliche Unterschiede, dies gilt sowohl für die Rahmenbedingungen mit Bevölkerungswachstum und Einkommenshöhe als auch bei den Belastungen der Haushalte, wenn sie ein Haus kaufen oder eine Wohnung mieten.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

·       Bei den Kaufpreisen liegt das Ruhrgebiet im Mittelfeld NRWs, nur wenige Städte weisen relativ hohe oder niedrige Preise auf. Aufgrund des relativ niedrigen Einkommens müssen aber die Haushalte der Revierstädte entsprechend viele Jahreinkommen für den Erwerb eines Hauses ausgeben.

·       Die Mieten im Revier sind vergleichsweise niedrig, so dass keine Revierstadt im obersten Viertel NRWs auftaucht. Auch wenn sich die Vorteilhaftigkeit für Mieter bei Berücksichtigung des Einkommens etwas relativiert, ist die Mietbelastung im Ruhrgebiet immer noch deutlich unterhalb des Niveaus von NRW.

·       Das niedrige Kaufpreis- und Mietniveau im Ruhrgebiet ist interessant für Haushalte, die von außerhalb in das Revier ziehen wollen. Der Belastung sowohl bei der Erschwinglichkeit als auch bei der Mietbelastung kann teilweise deutlich sinken.

·       Das Potenzial des Ruhrgebiets in der neuen Urbanisierung zeigt sich deutlich in den Großstädten der Region. Dort gibt es nicht nur eine gute Infrastruktur und großstädtisches Flair, sondern auch erschwingliche Wohnungen. Dies spiegelt sich auch in einer wachsenden Bevölkerung wider.

Dienstag, 6. Oktober 2020

Einzelhandel in Corona-Zeiten: Alles katastrophal?

 1.        Einleitung

Der Einzelhandel war in besonderem Ausmaß vom Coronavirus betroffen, so waren durch Hamsterkäufe zum Teil Waren im Lebensmitteleinzelhandel einige Zeit ausverkauft und gleichzeitig waren Geschäfte insbesondere in den Innenstädten geschlossen. Es ist daher zu lesen, dass sich die Corona-Pandemie zur größten Krise für den Einzelhandel seit der Nachkriegszeit entwickeln wird.

Im Folgenden soll auf drei Aspekte eingegangen werden, die immer wieder in diesen Nachrichten stehen. Die folgenden Aussagen basieren dabei auf der Annahme, dass es zukünftig nur zu maximal regional begrenzten, aber nicht größeren Lockdowns kommt.

2        Entwicklung der Kundenfrequenz

Weit verbreitete negative These: In der Corona-Krise ist Einkaufen für viele Konsumenten zum notwendigen Übel geworden. Maskenpflicht und Abstandsregeln halten die Verbraucher vom Einkaufen ab.

Meine Meinung: Zwar hatte der Lockdown nachdrückliche Folgen, da aufgrund der geschlossenen Läden die Frequenzen in den Innenstädten zurückgingen. Jedoch erholt sich der stationäre Einzelhandel (insgesamt; aber z. B. Ausnahme Mode) langsam wieder, die Besuche steigen kontinuierlich an. So kommt aus dem Bereich der Shopping Center-Betreiber die Nachricht, dass sich die Passantenfrequenzen inzwischen erholt und fast das Vorjahresniveau erreicht haben.

Gleichzeitig kehrt das Vertrauen der Verbraucher nach und nach zur Normalität zurück. Nach dem Corona-Schock hat sich nach Angaben der GfK das Konsumklima deutlich verbessert. Es zeigt sich eine V-förmige Entwicklung mit einer raschen Erholung. Die Lust am Einkaufen ist zurückgekehrt. Die politischen Maßnahmen der Steuersenkung haben dazu maßgeblich beigetragen, wobei vor allem größere Anschaffungen profitieren. Da der Mehrwertsteuereffekt befristet ist, wird sich dadurch kein nachhaltiger Effekt einstellen, sondern eher erhebliche Vorzieheffekte.

Statt über die Maskenpflicht zu klagen, wäre es daher ratsam hervorzuheben, dass durch die Masken und die Abstandsregelungen der Einkauf sicher ist: „Einzelhändler achten darauf, dass sich in ihren Geschäften niemand mit dem Virus ansteckt“.

3        Entwicklung des Umsatzes

Weit verbreitete negative These: Der Verband erwartet für den Einzelhandel in Deutschland in 2020 ein Umsatzminus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zum einen ist dies auf die bereits erfolgten Umsatzeinbrüche zurückzuführen. Begründet wird dies zum anderen damit, dass das durch die Pandemie veränderte Konsumentenverhalten auch nachhaltig andauern und damit zum Nachteil der stationären Händler wird. Gestützt wird diese These oftmals durch Umfragen bei den Verbrauchern, die künftig vermehrt online einkaufen wollen.

Meine Meinung: Die sehr negativen Meinungen lassen sich mit den amtlichen Statistiken nicht belegen. Die Prognosen für 2020 können nur dann eintreten, wenn noch von einem deutlichen Einbruch im II. Halbjahr ausgegangen wird.

Für das I. Halbjahr vermeldet nämlich das Statistische Bundesamt, dass der Einzelhandelsumsatz insgesamt um nominal rund 3,0 Prozent und preisbereinigt um 2,0 Prozent angestiegen ist. Wie nicht anders zu erwarten war, nahm der Internethandel drastisch zu. In den ersten 6 Monaten dieses Jahres betrug der Umsatzzuwachs knapp 20 Prozent und war damit doppelt so stark wie in den Jahren zuvor. Aber auch der Umsatz im Einzelhandel in Verkaufsräumen (stationär) konnte nominal leicht zulegen und stagnierte preisbereinigt.

Nach Sparten haben die systemrelevanten Supermärkte und SB-Warenhäuser mit einem Umsatzplus von 10 Prozent profitiert, während Waren- und Kaufhäuser die größten Rückgänge aufweisen. Bei den Sortimenten litt vor allem der Handel mit Textilien und Bekleidung, da die Geschäfte zeitweise schließen mussten. Der Umsatzrückgang in dem Segment Mode wird sich insbesondere in den Innenstädten zeigen, wo sich viele Modegeschäfte befinden. Knapp 10 Prozent Umsatzanstieg verzeichneten hingegen die Lebensmittelhändler, die in der Krise als systemrelevant galten.

Der wachsende Online-Handel geht zu Lasten des stationären Einzelhandels, was die deutlich höheren Wachstumsraten beim E-Commerce zeigen. Aber noch sind üblicherweise die absoluten Zuwächse (in Mrd. Euro) im traditionellen Einzelhandel höher und es werden die wesentlich höheren Umsätze erzielt, auch wenn die Wachstumsraten anderes vermuten lassen.

4        Insolvenzen und Geschäftsaufgaben

Weit verbreitete negative These: Der deutsche Einzelhandel rechnet wegen der Corona-Krise mit bis zu 50.000 Insolvenzen. Aufgrund der vierwöchigen Schließung von Geschäften aus dem Nicht-Lebensmittel-Bereich habe die Branche bereits rund 30 Mrd. Euro Umsatz verloren, was bei einigen Tausend Unternehmen zur Geschäftsaufgabe führen wird. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des Handelsverbands Deutschland (HDE) sehen sich gut 80 Prozent der Händler in ihrer Existenz bedroht.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Meine Meinung: Zwar ist es richtig, dass es immer weniger Unternehmen im Einzelhandel gibt, aber das ist ein langfristiger Trend (s. Chart). Im Durchschnitt sind im letzten Jahrzehnt jedes Jahr rund 5.000 Unternehmen vom Markt verschwunden. Nicht nur in einzelnen Segmenten oder Betriebsformen, die besonders unter den Maßnahmen gegen das Coronavirus leiden, sondern auch im Einzelhandel insgesamt ist mit mehr Unternehmensinsolvenzen, aber nicht in der Anzahl, zu rechnen. Im Übrigen ist die Prognose von 50.000 Insolvenzen schon seit einigen Jahren immer wieder zu hören.

5        Vermietungs- und Investmentmarkt Einzelhandelsimmobilien

Die Coronakrise hat nicht nur den Einzelhandel betroffen, sondern hat ihre Auswirkungen auch auf den Handel mit Einzelhandelsimmobilien. Auf dem Einzelhandels-Vermietungsmarkt hat die Pandemie deutliche Spuren hinterlassen. Der Flächenumsatz verlor laut JLL im ersten Halbjahr rd. 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, die Anzahl der Anmietungen ging mit nahezu einem Drittel noch stärker zurück. Seit Ende Juni steigt die Nachfrage allerdings wieder. Die Mieten bleiben anhaltend unter Druck. Gingen früher nur die Mieten von Geschäften in Randlagen zurück, stagnieren seit wenigen Jahren auch die Mieten in den 1a-Lagen der großen Städte (unabhängig vom Coronavirus).

Der Umsatz auf dem Retail-Investmentmarkt lag im I. Halbjahr deutlich über dem Vorjahresniveau, jedoch ist das Ergebnis durch einige große Portfoliotransaktionen verzerrt. Werden nur die Einzeldeals betrachtet, ist ein Rückgang der Aktivitäten um ein Drittel festzustellen. Ursächlich dafür sind u. a. die fehlenden großen Deals und der Einbruch der Aktivitäten in den A-Städten. Aufgrund der mangelnden Aktivitäten sind Aussagen über die Entwicklung der Renditen nur schwerlich möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Assetklasse mit höheren Risikoprämien und daher höheren Renditen rechnen muss.

6        Fazit

Der stationäre Einzelhandel steht unter Druck, aber nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie. Das Coronavirus beschleunigt Prozesse, die schon lange vorher begonnen hatten. Vieles wäre mit der Zeit auch so gekommen, aber nun wird es in mancher Hinsicht schneller gehen. Einzelne Bereiche des Einzelhandels sind stark betroffen, jedoch ist insgesamt die Lage im Einzelhandel nicht so dramatisch wie sie teilweise dargestellt wird.